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Kevinismus

10.10.2008, 22:41

„Eine Strafe fürs Leben?“ oder: Das Phänomen spinnerter Vornamen heißt Kevinismus

Man kennt das aus Talkshows wie "Vera am Mittag". Da sitzt dann so eine 17-jährige Jacqueline und fragt sich, ob wohl Silvio oder Ronny der Erzeuger ihres kleinen Justin-Pascal ist.

Das wird vielleicht mal ein Job für die Super-Nanny, vor allem aber haben wir hier ein Beispiel für ein ganz neues Phänomen: den Kevinismus.

"Als Kevinismus (auch Chantallismus) bezeichnet man die krankhafte Unfähigkeit, menschlichem Nachwuchs menschliche Namen zu geben", definiert eine Internet-Satireseite diese Erscheinung. Obwohl nicht ganz wissenschaftlich, wird der Begriff plötzlich in Expertenrunden und auf Fachtagungen bereits ganz selbstverständlich benutzt. Denn jeder kennt dieses Phänomen. Jeder, der schon einmal Geburtsanzeigen gesehen hat, wo eine Annemarie-Joy begrüßt wurde oder ein Jens Berlin Lukas.

Hier zeigen sich bereits die Mechanismen, nach denen Kevinismus funktioniert: Es sind stets Doppel- oder Dreifachnamen, von denen mindestens einer als Vorname hierzulande absolut unüblich sein und möglichst englisch, französisch oder gleich ganz exotisch klingen muss. Das Phänomen kann sich steigern bis zu Kendra Tiara Zoe, die ihren Namen ihr Leben lang wird buchstabieren müssen.
Das gilt übrigens auch für Modifikationen bekannter Namen: Tauft man den Sohn Timm oder Paull, ist die Diagnose klar: „Kevinismus“.

Wer nun hofft, die Bürokratie würde hier eingreifen, der irrt: Ein Mädchen wurde Pepsi Carola getauft und zwar mit richterlichem Segen. Ungekrönter König der Kevinisten ist der Schauspieler Uwe Ochsenknecht. Seine Kinder strafte er mit den Namen Rocco Stark, Wilson Gonzales, Jimi Blue und Cheyenne Savannah. Am Beispiel des Mimen lassen sich übrigens zwei Grundannahmen über den Kevinismus widerlegen. Erstens heißt es oft, dieses Phänomen trete nur in bildungsfernen Schichten auf. Ochsenknecht aber hat das Gymnasium besucht. Zweitens werden meist die Mütter des Kevinismus bezichtigt. Doch Rocco Stark ist von einer anderen Mutter als die anderen drei. Offenbar trägt also hier der Vater das Kevinismus-Gen.

Hier einige Beispiele, die die Diskrepanz Bildungsstand und Namensgebung darlegen:
  • Im Supermarkt: Mutter zu ihrer Tochter: "Schakke-line, komm wech von die Regale, Du a****!"
  • Eine Mutter ruft ihrer ca. 8-jährigen Tochter vom Balkon zu: "Schan-talle, geh nischt bei die Asis!"
  • Mutter und ein 3- bis 4-jähriges Mädchen im Supermarkt. Die Mutter ist schon an den Kühlregalen, die Kleine macht sich am Obst zu schaffen. Die Mutter ruft durch den Laden: "Schakke-line (ja, wirklich!), komma bei Mama jetz! Nein, kein Apfel, wir hatten Kaugummi ausgemacht!"
  • Meine ehemaligen Nachbarn hatten ein kleines Kind, ca. 5 Jahre alt, das immer im komplett asphaltierten Hof spielen musste. Zur Essenszeit brüllte die Mutter regelmäßig aus der Wohnung: "Komm jetz sofort rein, Marcel, du beschissene Drecksau, sonst knallt’s!"
  • Dialog zwischen zwei Kindern im Warner Brothers Movie World:
    Kind 1: "Wo is Mischelle hin?"
    Kind 2: "Mischelle is, wo der Bahn am gehen tut!"

Weitere Perlen gefällig?

  • "Schantall, die Mutti ist jetzt (sie buchstabiert) W-E-C-K - weg!
  • "Üffes, komm! Wir gehen deinen Kinderjebuchtstach inna anderen Frittenbud feiern!"
  • Vor 2 Wochen im Zug nach Würzburg: Ca. 16-jährige Mutter drückt ihrem 1-jährigen Kind ein belegtes Sandwich von ca. 5 cm Dicke in die Hand, um es ruhig zu stellen. Kind krümelt natürlich wie verrückt.
    Darauf die Mutter: "Ey, Schantall... Du bist so ***, ey...!"
  • Mutter zur ca. 6-jährigen Tochter: "Michelle! Du kommst jetz bei mir, sonst kannste später alleine na Hause fahn!"
  • Mutter im Woolworth: "Tschastiiiiiiin, du bledie schlomp. Lass des Kinner-Ei ligge, sonscht gebbts glei paa uf die gosch!"
  • Unlängst wurde ich mal von einem Nachbarn geweckt: "Määäääääääääändy, den grünen Fahrrad is wech. Ich glaub, den is geklaut!"
  • Mutter: „Ey, Zelliine! Hör auf mit die ***, sonst tritt isch disch!"

Und hier noch ein paar andere Intelligenzbestien:

  • Als ich noch bei uns im Dorf an der Tankstelle gearbeitet habe, kam mal ein Junge von der Dönerbude rein. So ca. 10 bis 11 Jahre alt:
    Er: "Hallo, ich soll Kippen für meinen Vater holen!" (... Klar, das sagen alle!!)
    Ich: "Du bist aber noch keine 16, oder?"
    Er: "Nee, aber die sind wirklich für meinen Vater, der hat mir auch nen Zettel gegeben!"
    Er reicht ein Stück Papier rüber und auf dem steht ungelogen: "1 x Malbüro"
  • Brüllt ein Mann über die Straße, weil sein Auto zugeparkt ist: "Wem ist die Mopped?"
    Ein anderer: "Misch!"
  • Letztens im WallMarkt: Ein Mann sucht seine Frau, er holt tief Luft und schreit (unmittelbar neben meinem Ohr): "Komm ma schnell nach misch!"

Mit einem schönen Dialog aus dem Ruhrpott beenden wir nun das Kapitel Kevinismus

  • Ein Mann sitzt im Unterhemd auf ein Kissen gestützt am offenen Fenster im dritten Stock. Auf der Straße geht ein Kumpel vorbei.
    Fenstermann: "Eeeeeeeeey! Wo geeeeeeeehse?"
    Straßenmann: "Pommes!"

10.10.2008, 22:41

Re: Kevinismus

10.10.2008, 23:20

Oh, kenn ich - darüber gibt es einige Artikel im Internet.

Interessanterweise werden Akademiker oft beschuldigt, dem Gegenstück zum Kevinismus, dem sogenannten Emilismus anheimzufallen und ihren Kindern möglichst wenig gebräuchliche ALTE und "urdeutsche" Namen zu geben.

Nachdem ich auf dem Spielplatz nun schon Karl, Otto, Ansgar, Elmar, Benno, Bruno und Albert mitsamt zugehöriger Eltern kennenlernen durfte, bin ich überzeugt, dass der Emilismus wirklich um sich greift. Bei Mädchen bin ich mir sicher, dass vor allem die starke Zunahme von kleinen Mädchen, die Lilly und Greta heißen auch auf dieses Phänomen zurückzuführen ist.

Ich finde übrigens generell soll jeder sein Kind nennen wie er mag. Jason, Emil, Greta und Cheyenne werden alle nicht daran sterben.

Peinlich finde ich nur die (häufiger im Kevinismus anzutreffende) Unfähigkeit, den auserwählten Namen überhaupt richtig zu schreiben oder auszusprechen:

Schaggeline, Schaissen, PASgall, Schahjänn etc.

Oder Renè, Michellé, Joelyne, Charlyne, Yannick etc. (mich nervt besonders ein von mir persönlich als "Ypsilonismus" klassifiziertes Syndrom oder der Hauptsache-viieeele-aber-ums-verrecken-nicht-die-richtigen-Akzente-Wahn)

Ausnahme: Bei Akademikern gibt es auch einen Trend zu skandinavischen Namen (Kjellismus? Malinismus?)und die können die Eltern von Kjell und Malin leider auch sehr oft NICHT richtig aussprechen.

LG von Eva mit Yánòsh (Hergen Fritz Günther) :mrgreen: :toto:
Zuletzt geändert von Aoife am 10.10.2008, 23:31, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Kevinismus

10.10.2008, 23:27

Bei uns in Ostfriesland gibt es auch ein paar ganz üble Vergewaltigungen des Hochdeutschen.

"Ich muss heut noch mit MEINEN MANN IHM SEIN Auto NACH'N Aldi. Da muss man immer UMZU fahren, weil nur dahinter ein Parkplatz ist."

Ich weiß sogar, woher das kommt: Plattdüütsch. In der eigentlichen Landessprache gibt es nämlich tatsächlich keinen Genitiv und man sagt "Egon sin Auto" statt "Egons Auto"; Es gibt auch kein "zu" sondern nur "no" für "zu" und "nach".

Warum die Oldenburger das Wort UMZU erfunden haben, weiß ich leider auch nicht.

Re: Kevinismus

10.10.2008, 23:29

Celdorn hat geschrieben:

  • Ein Mann sitzt im Unterhemd auf ein Kissen gestützt am offenen Fenster im dritten Stock. Auf der Straße geht ein Kumpel vorbei.
    Fenstermann: "Eeeeeeeeey! Wo geeeeeeeehse?"
    Straßenmann: "Pommes!"


Ein göttlicher Dialog. Ich liebe Ruhrpottslang! Fast so sehr wie Balinarisch, wa?

Re: Kevinismus

11.10.2008, 08:36

Aoife hat geschrieben:Peinlich finde ich nur die (häufiger im Kevinismus anzutreffende) Unfähigkeit, den auserwählten Namen überhaupt richtig zu schreiben oder auszusprechen:

Schaggeline, Schaissen, PASgall, Schahjänn etc.

Hrhrhrhrhrhrhr :twisted:

Dass es bei Akademikern anders herum sein tut wußte ich gar nicht; bin gespannt auf die Ansgar Bengt Torbens, die noch auf mich zu kommen :n3:

Re: Kevinismus

11.10.2008, 08:56

Zum Emilismus hat was Schönes auf Stern.de geschrieben:

Emilismus
In der AkademikerSzene sowie im Medien- und Werbemilieu habe ich einen gegenläufigen Trend festgestellt. Ich nenne ihn Emilismus. Da werden Kinder mit Namen beehrt, die vor rund 90 Jahren schwer in Mode waren: Anton. Paul. Emil. Carl. Friedrich. Sogar ein einjähriger Otto ist mir jüngst auf den Arm gesetzt worden. Da fragt man sich natürlich, was bei unseren Kindern en vogue sein wird. Ich denke mit Schaudern an die Zukunft, denn nach den Gesetzen der Logik gibt es nur zwei Möglichkeiten. Die eine besteht darin, dass gänzlich neue Namen entstehen, die man sich jetzt noch nicht richtig vorstellen kann.


Die Kinder meiner Kinder werden demnach Namen tragen, die so klingen wie "Luna3", "Betageuze", "Terraflop" oder "Kana- Uba." Die andere mögliche Variante besteht wie jetzt in der Verwendung nostalgischer Namen, die um 1940 als schick galten. Meine Tochter wird also in 20 Jahren im Krankenhaus liegen, ich komme mit einem Blumenstrauß herein. Mein Enkel ist erst einen Tag alt und wiegt fast nichts, als ich ihn hochhebe. Er blinzelt mich aus leicht klebrigen Äuglein an, ist so runzlig wie unschuldig und duftet, wie nur Säuglinge duften. Unter Tränen frage ich meine Tochter, wie der kleine Erdenbürger heißen soll, und sie sagt: "Leon und ich haben uns noch nicht entschieden. Vielleicht Horst-Dieter. Oder Heinz-Günther. Oder einfach Eberhard."

Re: Kevinismus

12.10.2008, 21:10

Ich bin leider zu blöd dafür und kapiere gar nichts

Re: Kevinismus

27.09.2009, 00:45

Mein Kumpel Till (ist in seinem Referendariat an einer miesen Asso-Schule gelandet) meinte letztens, dass im Kollegium im Scherz diskutiert wird, ob man das Gehalt nicht von der Menge "Kevins" in den betreuten Klassen abhängig machen könnte. Dann würden die Kollegen mit den miesesten Klassen auch die meiste Kohle bekommen :n183:
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